Sword of the Samurai
für Spielbuch

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Mr Creosote:
Weitere Titel: Das Schwert des Samurai
Firma: Puffin Books
Jahr: 1986
Genre: Rollenspiel
Thema: Kämpfen / Schwerter & Magie / Textbasiert
Sprache: English, Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 312
Rezension von Mr Creosote (10.08.2024)
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Zugegeben, seit Erstausstrahlung der Shōgun-Miniserie im ZDF waren schon ein paar Jahre vergangen. Doch der charmante Richard Chamberlain hatte sich mit der aufregenden Mischung aus Action, Romanze und dem höchst clichébelandenen Reiz des Fremden ins kollektive Gedächtnis eingepflanzt. Samurais waren weiterhin hoch im Kurs. Also mussten sie ins Fighting-Fantasy-Universum kommen. In einem Buch, das ebenfalls tief in die Clichékiste greift, wenn es seinen Protagonisten mit einem rigiden Ehrenkodex ausstattet, rituellen Selbstmord zelebriert und die üblichen Kreaturen aus Fantasy und Mythologie mit reinmischt.

Der Auftrag lautet, ein magisches Schwert, wichtiges Herrschersymbol, einem bösen Geist zu entreißen. Doch zuerst darf man sich erstmal eine der besonderen Samuraifähigkeiten aussuchen. Bogenschießen, Schleichen, Kämpfen mit zwei Schwertern… dies beeinflusst eine Handvoll Szenen im Laufe des Buchs, Erfolg oder Misserfolg stehen und fallen jedoch mit der Entscheidung nicht. Vielmehr geht es hier um etwas Flair, was gutzuheißen ist.

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Die zweite Besonderheit liegt im Ehrenpunktsystem. Handelt man „ehrenhaft“, wird man mit Punkten belohnt, für's Gegenteil büßt man Punkte ein. Große Überraschungen ergeben sich dadurch nicht; wer schonmal einen beliebigen Samuraifilm gesehen oder eine Samuraigeschichte gelesen hat, riecht die „ehrenvollen“ Entscheidungen meilenweit gegen den Wind. Die Punkte, die man gegen Ende noch brauchen wird, spülen also mehr oder weniger automatisch aufs Konto. Es schadet nichts, aber weder Unterhaltungswert, noch Komplexität werden dadurch wirklich gesteigert.

Auch sonst gibt es ein paar seltsame Designentscheidungen. Ausbalanciert ist das Buch nicht gerade und es wirkt inkonsistent. Die Kämpfe sind viel zu schwierig, Begegnungen mit hochgewandten Gegnern unvermeidbar. Gleich die erste Enscheidung des Buches schickt einen nach Osten oder Westen. Dies stellt zwei völlig unterschiedliche Pfade durch die Geschichte dar, jeweils komplett linear, bis sie am Ende wieder zusammenlaufen. Das kann man ja machen, aber einer der beiden ist praktisch unschaffbar. Lässt man selbst die Kämpfe mal beiseite, gibt es dort kaum genug Ehrenpunkte, als dass man das Finale realistisch noch bestehen könnte.

Strukturell ist der Drache auf halben Wege hervorzuheben. Dieser stellt einem ein Rätsel, dessen Antworten nicht explizit als Optionen angegeben werden, sondern man muss mittels einer mathematischen Formel den nächsten Abschnitt aus bestimmtem Wissen errechnen. Dies hatte sich bereits in früheren Büchern bewährt, um Schummlern den Gar aus zu machen, und ist hier besonders schwierig geraten. Am Ende fragt das Buch dagegen einfach: „Kennst du folgendes Geheimnis? Wenn ja, dann geht es weiter bei xyz.“. Und direkt davor hat man sich ebenfalls besonders wenig Mühe gegeben: Der Spieler betritt einen Knotenpunkt, von dem acht Türen abgehen; letztlich kann man jedoch alle nacheinander abklappern, da man immer wieder hierhin zurückgeworfen wird. Einen Grund, nicht alle zu betreten, gibt es nicht. Hinter jeder Tür wartet eine Szene, die komplett außerhalb der normalen Spielwelt stattfindet. Hier wollten die Autoren wohl einfach noch ein paar Einzelideen unterbringen, die sie aber nicht organisch einbauen konnten.

Wobei einige dieser Begegnungen hinter den Türen gar nicht mal so schlecht sind. Überhaupt hat das Buch ein paar Szenen, die im Gedächtnis bleiben. Doch ergibt all das kein Großes und Ganzes, und spielmechanisch ist es regelrecht kaputt. Es bietet breite Abwechslung, Material und Ideen sind vorhanden. Und trotzdem ist es kein gutes Buch.

Kommentare (1) [Kommentar schreiben]

Mr Creosote:
Mein Rückblick auf Fighting Fantasy wird immer langsamer. Was einfach daran liegt, dass ich mich mittlerweile in der Phase befinde, von der ich denke, dass die Reihe unter ihrem eigenen Erfolg kollabiert ist. Das Schwert des Samurai stammt von den gleichen Autoren eines vorigen Buchs, das ich mochte, und ihr Talent zeigte. Doch dieses hat dermaßen offensichtliche Defekte, dass es keinesfalls durch ernsthafte Qualitätskontrolle gegangen sein kann. Der Druck, schneller und mehr zu veröffentlichen, muss riesig gewesen sein.
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