Demons of the Deep
für Spielbuch

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Mr Creosote:
Weitere Titel: Die Dämonen der Tiefe
Firma: Puffin Books
Jahr: 1986
Genre: Rollenspiel
Thema: Kämpfen / Piraten / Mythen und Sagen / Textbasiert
Sprache: English, Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 672
Rezension von Mr Creosote (18.05.2024)
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Steve Jackson kehrt zurück in die Fighting-Fantasy-Welt. Der andere Steve Jackson („Steve Jackson und Ian Livingstone präsentieren: Die Dämonen der Tiefe von Steve Jackson“). Strukturell ist er weniger experimentell aufgelegt als in seinem Debütwerk, aber immerhin lässt er seine Leser nicht weniger erforschen als die versunkene Stadt Atlantis. Unter dem Vorwand, eine unbekannte magische Kraft erlaube es einem für einen Tag unter Wasser zu atmen. Wie ungemein praktisch. Bei so einem Thema stellt sich natürlich die Frage, wie sich die Repräsentation der ungewöhnlichen Welt auf Erzählung und Spielelemente auswirkt. Schließlich ergäbe es wenig Sinn, sein Abenteuer unter Wasser anzusiedeln, wenn dann doch alles genauso ist wie an Land.

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Natürlich trifft man diverse Fische (ein Hai, ein Riesenkraken) sowie Meerjungfrauen und Wassermänner. Was man jedoch kaum als Erfüllung dieser Prämisse ansehen kann. Schließlich zieht man sein Schwert und schwingt es in Richtung des Hais genauso wie man es gegen einen Troll täte. Interessanter wird es bei den Froschwesen, die sich im Krieg gegen die Wassermänner befinden, und dem Spieler eine verquere Märchenaufgabe stellen. Der Knochendämon, der einem bereits auf dem Umschlag den Mund wässrig gemacht hat, kämpft ganz anders als erwartet. Cyrano, ein selbsternannter Schwertmeisterfisch, kann dem Spieler noch etwas beibringen. Der Seedrache könnte einem helfen, das Buch zu gewinnen, wenn man den richtigen Handel anbietet. Oder aber er verschluckt einen.

Eine große Stärke des Buchs ist, dass es diverse Pfade zu unterschiedlichen, aber allesamt erfolgreichen Enden erlaubt. Ein zentraler Punkt ist jeweils, die richtigen Verbündeten zu finden. Die meisten bieten ihre Unterstützung nicht kostenlos an. Wie eben der Seedrache. Sich mit ihm einzulassen ist höchst riskant. Befindet man sich erstmal in seiner Nähe, gibt es genau einen Pfad, der seine Hilfe sichert, und viele andere, die im Kampf enden. Solch doppelbödige Entscheidungen, wie man das Buch zu Ende bringen möchte, machen es in seinen besten Momenten höchst fesselnd.

Wenn man jedoch vom Ende, dem Ziel des Buches spricht, kommt man nicht umhin, einen großen Konstruktionsfehler zu erwähnen. Zweigt man anfangs einmal „falsch“ ab, verpasst man den gesamten Abschnitt, in dem einen die Aufgabe überhaupt erklärt wird. Man treibt dann von Gebäude zu Gebäude, bis das Buch irgendwann erklärt, die Sonne gehe unter und man müsse bald an die Oberfläche zurückkehren. Nur, dass man davon überhaupt nichts wusste, wenn man diese eine Meerjungfrau anfangs nicht getroffen hat. Seltsam.

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Es ist das augenfälligste Beispiel davon, wie die insgesamt recht flexible Struktur, die einzelnen Episoden des Buchs frei miteinander zu verknüpfen, fehlschlägt. Denn letztlich ist dieses Buch eben nur eine Schüssel voller Episödchen, die man in unterschiedlicher Zusammenstellung genießen kann, wodurch dann ein insgesamt einigermaßen anderes Abenteuer mit einem anderen Ende entsteht. Als Verbindung halten Formulierungen her wie: „Eine starke Strömung reißt dich mit und du kannst ihr erst wieder [an einem völlig anderen Ort] entkommen“. Oder aber: „Der Zauberer führt dich durch einen der Tunnel, öffnet endlich eine der vielen Luken und du tauchst [wiederum ganz woanders] wieder auf“. Anders gesagt: Man teleportiert sich.

Nun ist dieser nachsichtige Gesamtstil durchaus eine schöne Abwechslung, insbesondere im Vergleich zu Livingstone, der ja praktisch immer fest darauf beharrte, man müsse den exakt einen Pfad zum Sieg finden. Jackson gelingt es, einige seiner Episoden wirklich spannend zu gestalten, die Entscheidungen schwerwiegend erscheinen zu lassen. Als es mir im wohl „besten“ Ende gelang, eine Skelettarmee herbeizurufen wie der böse Zauberer in Ray Harryhausens Jason und die Argonauten, konnte ich mir ein breites, nostalgisches Lächeln nicht verkneifen.

Und doch gelingt es dem Buch nicht, mehr als die Summe seiner Teile zu sein. Der rote Faden ist dünn. Das Ziel, Rache an den Piraten der Eröffnungsszene zu nehmen, schwach. Warum Rache, anstatt einfach zu entkommen? Die teleportierenden Strömungen und Tunnels verhindern, sich in der Spielwelt zu verorten. Physisch ist der Raum nicht greifbar. Das Buch ist kein Blindgänger, aber sein Potential schöpft es nicht aus.

Kommentare (1) [Kommentar schreiben]

Mr Creosote:
Spoiler: der Kampf gegen den Knochendämonen ist schon ziemlich cool. Er ist jedoch der einzige Dämon in einem Buch namen Die Dämonen der Tiefe. Welch ein Betrug! Aber immerhin warten eine Reihe spektakulärer Zusammentreffen mit allerlei nicht-dämonischer Kreaturen. Selbst wenn dadurch kein starker roter Faden entsteht, bleiben Einzelszenen doch im Gedächtnis.
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