Winzer

Firma:
Starbyte
Jahr:
1991
Systeme:
PC (DOS) / PC (VGA) / PC (EGA)
Genre:
Strategie
Tag:
Geschäftswelt
Sprache:
Deutsch
Mittlere Wertung:
3/5

Meinung damals

Dennoch sollte sich kein Sprit-Stratege davon abhalten lassen, Winzer einer „Weinprobe“ zu unterziehen; allein schon der originellen Thematik wegen. Na, denn mal Prost!

Joachim Nettelbeck, Amiga Joker 10/91 

Die Spielfeatures sind geschickt angelegt, doch von allen anderen Wirtschafts-Strategie-Simulationen bereits bekannt. Ein weiteres Produkt mit diesem Aufbau ist schon etwas ermüdend. Ob und demnächst die erste „Brauer“-Simulation ins Haus steht?

Michael Suck, ASM 10/91 

Die Spielidee ist gut umgesetzt und bis auf die Menüführung und die etwas düstere Grafik ist das Spiel eine Simulation die durch die vielfältigen Möglichkeiten nicht so schnell auf der Festplatte verstaubt.

Markus Gurnig, Play Time 10/91 

Bericht von Mr Creosote (05.06.2021) – PC (DOS)

Die Deutschen und ihre Wirtschaftssimulationen, ach, das waren noch Zeiten! Mittlerweile mag man selbst auf diese Phase nostalgisch verklärt zurückblicken. Und mag die Fachpresse schon seinerzeit über den Großteil der Spiele die Nase gerümpft haben, so hatten sie doch ihre treue Zielgruppe, denn sie sind sicher nicht alle aus reinem Idealismus gemacht und veröffentlicht worden.

Ihre Hauptmotivation ziehen solcherlei Spiele meist aus thematischem Interesse an Stelle spielmechanischer Überlegungen. So setzt Winzer diesbezüglich auf die Vorstellung der letzten rötlichen Sonnenstrahlen des Tages, wie sie über den Weinberg wandern und die reifenden Reben in ganz besonderem Licht erstrahlen lassen. So weit wohl zumindest die theoretische Vorstellung, als man es sich konzeptuell überlegt hat.

Leider das höchste der Gefühle
Leider das höchste der Gefühle

In der praktischen Umsetzung stellt sich das ganze leider als recht trockene Angelegenheit heraus. Die (optional abschaltbaren) Illustrationen, zwar hochauflösend, aber wenig detailliert, wollen keine rechte Stimmung aufkommen lassen, da die künstlerische Ader fehlt. Auch die Menüführung, die beispielsweise als Gang über ein Weingut hätte simuliert sein können, hilft mit ihren cursortastengesteuerten Textlisten nicht.

So finden sich die Spieler schnell doch auf die mechanische Ebene zurückgeworfen. Diese besteht im Wesentlichen aus der genreüblichen Einnahmen-/Ausgabenlogik, wobei erstere sich wie erwartet durch Verkauf speisen und letztere sich aus Personal-, Material-, Werbe-, Maschinen- und weiteren laufenden Kosten zusammensetzen.

Der Weinanbau an sich folgt im Spiel einem sehr rigiden Muster: Exakte Anbau-, Reife- und Lesezeiten sind einzuhalten, sonst steht man schnell vor dem Ruin. Das Spiel läuft rundenweise in Monaten ab, was flexible Reaktionen unmöglich macht: Wenn in einem Monat der Reifegrad beispielsweise bei 70% liegt, ist es durchaus möglich, im nächsten Monat bereits alles verloren zu haben. In der Realität würde man eventuell täglich vorbeischauen und reagieren, wenn die Sache kippt, oder? Zum Glück hilft das detaillierte Handbuch bezüglich all dieser Regeln weiter.

Die trockene Buchhalterrealität
Die trockene Buchhalterrealität

Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass Handbuchstudium praktisch eine Erfolgsgarantie liefert, zumindest wenn man sich mit bescheidenem Profit zufrieden gibt. Für Einzelspieler besteht also eigentlich keinerlei Herausforderung. Diese könnte eventuell durch den Konkurrenzgedanken zwischen mehreren Winzern (bis zu vier) entstehen, oder man setzt sich seine Ziele selbst.

Womit wir bei einer anderen Facette des Simulationsaspekts angekommen wären. So strikt Winzer bei der Durchführung der Kernaktivitäten sein mag, erlaubt es immerhin eine gewisse Breite drumherum. Sechs verschiedene Traubensorten, die pro Anbauregion unterschiedlich gut wachsen, können zu zehn Weinsorten gekeltert werden. Das Panschen, also Verwässern oder Nachzuckern, ist möglich. Die Produkte können legal oder illegal auf den Markt gebracht und im In- oder Ausland verschachert werden. Nur ist fast nichts davon im Spielverlauf jemals notwendig.

Es stellt sich also recht schnell die Frage des Designziels. Geht es sozusagen im Sinne des Selbstzwecks darum, solche Möglichkeiten abzubilden, ohne einer spielerischen Herausforderung oder Tiefe zu dienen, dann wäre man schnell zurück bei der Eingangsfrage der thematischen Würdigung, die aber durch den sehr mechanischen Charakter der Umsetzung kein Motivationsanker ist. Ansonsten muss man leider sagen: ebenfalls gescheitert, da ein großer Teil der implementierten Spielmechanik einfach nutzlos ist.

Archivierte Berichte

Bericht von Mr Creosote (15.04.2000) – PC (DOS)

Mittlerweile haben deutsche Spieledesigner sich ihren ausländischen Vorbildern angepasst, und produzieren nur noch 3D-Action und Echtzeitstrategie. Leider, denn manche wirklich innovative deutsche Spielkonzepte gingen dadurch verloren. Der Großteil der „deutschen“ Spiele war aber reine Massenware. Noch vor wenigen Jahren gab es Spiele, denen man sowohl äußerlich (grafisch), als auch inhaltlich (Spielthema) ansah, dass sie aus Deutschland stammen. Ein besonders typisches Beispiel dafür ist Winzer.

Wie der Name bereits vemuten lässt, handelt es sich dabei um eine staubtrockene Wirtschaftssimulation rund um den Weinanbau. Über Textmenüs gelangt man zu verschiedenen Orten, an denen man mehr oder weniger wichtige Dinge tun kann. Dabei sollte man sich wichtige Informationen durchaus handschriftlich notieren, weil man in den Bildschirm-„Übersichten“ doch leicht die selbige verliert. Vom Pflanzen übers Pflegen, Ernten, Abfüllen und Verkaufen muss man alles selbst machen. Es gibt immer verschiedene Wege und Möglichkeiten. So kann man die Reben länger reifen lassen, aber ein (illegales) Panschen erreicht den selben Effekt. Genauso gibt es verschiedene Anbaugebiete, Reben- und Weinsorten und verschiedene internationale Märkte. Also eine Menge zu entscheiden und auszuprobieren auf den ersten Blick.

Bis man einen Blick in die Anleitung wirft. Dort entdeckt man eine übersichtliche Tabelle, die besagt, welche Weinsorte am besten wo und wie lange wächst. Das ist dann auch schon eine Komplettlösung. Wenn man sich nämlich an diesen Vorgaben hält und auch sonst keine Risiken eingeht, also immer nur Wein niedriger Qualität produziert, hat man nach kurzer Zeit gewonnen. Die meisten Optionen sind somit Selbstzweck. Aber leider wird wohl kein Spieler ein zweites Spiel beginnen, nachdem er es einmal geschafft hat. Und wenn, wird er sicher nicht experimentieren, denn dann wird das Spiel wirklich unübersichtlich. Zu schnell verstrickt man sich in endlosen Statistiken und Menüs.

Winzer steht hier nur beispielhaft für die riesigen Massen an ähnlichen Wirtschaftsimulationen, die Anfang bis Mitte der 90er von deutschen Firmen produziert wurden, und aus gutem Grund wahrscheinlich nie ins Ausland gelangten. Hier zeigt sich deutlich, dass neue witzige Spielkonzepte wie Mad TV durchaus internationale Anerkennung erlangten, während der Winzer und seine Kollegen selbst im deutschsprachigen Raum schnell in der Versenkung verschwanden.

Es bleibt natürlich die Frage, was die heutigen typisch deutschen Spiele sind. So wie ich die Verkaufszahlen im Moment sehe, scheinen die sogenannten „Aufbaustrategiespiele“ mittlerweile zum Nachfolger der Zahlenkolonnensimulationen geworden zu sein. Wieder ein an sich gutes Genre, dass somit zu Tode übersättigt wird…

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