Where Time Stood Still

Firmen:
Denton Designs / Ocean
Jahr:
1988
System:
ZX Spectrum
Genres:
Adventure / Action
Tag:
Sonstige Fantasy
Sprache:
Englisch
Mittlere Wertung:
5/5

Bericht von Mr Creosote (23.11.2024) – ZX Spectrum

Die verlorene Welt – ein Standard im Abenteuergenre über alle Medien hinweg. Satelliten und ähnliche Technologien haben natürlich unserer Erde alle Mysterien genommen, so dass das Genre irgendwann in den Weltraum ausweichen musste. Jedoch ohne sich grundlegend zu wandeln. Vorher galt jedoch das Argument: „Kannst du beweisen, dass dies nicht irgendwo auf unserem Planeten existiert?“ Arthur Conan Doyle schickte seinen Professor Challenger in Die vergessene Welt . Edgar Rice Burroughs schrieb über das Land Caspak . Von beiden gibt es sehenswerte Verfilmungen aus den Jahren 1925 und 1974, die die Leinwand mit Stop-Motion-Dinosauriern bevölkern. Obwohl zumindest ersterer Roman eigentlich von Affen handelt. Aber na ja, Dinosaurier sind halt aufregender!

Auf Cover von Where Time Stood Still schiebt sich ein viereckiges Kinn hervor, dass genausogut Doug McClure gehören könnte. Jarret, der raubeinige Pilot des verunglückten Flugzeuges, hat noch seine Passagiere Clive, dessen Tochter Gloria und ihren Frischvermählten Dirk im Schlepptau. Wo befinden sie sich? Auf einem unbekannten Plateau im Himalaja. Nach Hause führt es nur über einen Gebirgspass auf der fernen Seite.

In mancherlei Hinsicht wirkt das Spiel geradezu modern. Die Gruppe wird mit einem Fernziel in die Spielwelt geworden, gibt jedoch keinerlei Hinweise, wie dieses erreicht werden könne. Zwischen Ressourcenmanagement, dem Tages- und Nachtzyklus, der basischen Versorgung der Charaktere, ist es gar nicht so einfach, überhaupt mit irgendetwas voranzukommen. Essen und Trinken sind anfangs besonders knapp. Die direkte Umgebung birgt darüber hinaus auf weitere Todesgefahren. Die Sümpfe können schon ziemlich gefährlich sein. Die prähistorische Tierwelt gibt sich aggressiv. Und kann man den Eingeborenen überhaupt trauen?

Besonders schön macht sich die Charakterisierung der vier Akteure. Jarret ist erstmal der voreingestellte Anführer, aber man kann jede Person übernehmen, solange sie noch lebt und dabei ist. Damit eröffnen sich unterschiedliche Fähigkeiten: Dirk versteht die heimische Sprache; Gloria ist so überhaupt nicht die befürchtete Damsel in Distress; Clive ist dagegen im Prinzip nur dazu da, herumzumeckern und sich zu beschweren. Steuert man sie nicht direkt, folgen sie erstmal im Wesentlichen, agieren in Gefahrensituationen dann aber autonom. Der freie Wille zeigt sich ebenfalls, wenn sie die Gruppe verlassen, weil zu viel schiefgeht. Jede Person kann verletzt werden oder umkommen. Was einem natürlich am Spielende als Punktewertung aufs Brot geschmiert wird.

Eine Handvoll kleiner Rätsel sind mittels der zu findenden Objekte zu lösen. Nichts besonders Erwähnenswertes, aber spielmechanisch erfüllen sie ihren Zweck, den Zugang zu gewissen Teilen der Spielwelt zu kontrollieren. Motivation entsteht vielmehr aus der abenteuerlichen Atmosphäre. Die Stimmung der Bücher, der Filme wird bestens eingefangen. Fortschritt gibt es eigentlich nur durch Versuch und Irrtum, mittels 101 Todesfällen. So wie es eben wäre in solch einer Situation: Was zu tun ist, ergibt sich rein aus dem Bauchgefühl. Ab nach Norden! Betritt man dann das Dorf, erreicht man den Tempel, erklimmt man die Klippen, um den wunderschönen Wasserfall zu durchqueren, schlägt die Motivation hohe Wellen.

Zufallselemente wie Tierangriffe halten einen dabei auf Trab. Wenn der Pterodactyl einen Charakter ins Visier nimmt und sich ihn schnappt, dann steigt der Puls trotz nicht mehr ganz frischer Grafik, simplen Soundeffekten und sich immer wiederholender Musik (letztere ist an sich gut, nur stundenlang in Endlosschleife will man sie nicht hören).

Folgt man der heute üblichen Weise, klassische Computerspiele durch ein Longplayvideo zu „erleben“, entwickelt sich der Charme leider nicht. Denn wenn ein Spieler genau weiß, in welcher Reihenfolge er wo hinzugehen hat, was dort zu tun ist, dann kommt er auch in weniger als einer Stunde durch. Womit jedoch die gesamte Entdeckungsphase unter den Tisch fällt. Die Erfahrung, sich in wirklich unbekannte Welten vorzuwagen. Wodurch das Spiel seinerzeit geradezu unendlich riesig wirkte. Etwas, in dem man sich für Wochen und Monate verlieren konnte. Gerade im Vergleich zum Vorgänger, dem bereits ziemlich guten The Great Escape, unerhört.

Heutzutage findet man diese Art des Actionadventures überall. Where Time Stood Still mag wie der kuriose Urvater wirken, mit seiner fummeligen Steuerung, seinen Problemen bei der Wegfindung und seiner einfarbigen Grafik. Doch es ist viel mehr als das. Es ist der Traum eines jeden kleinen Jungen. Das größte Abenteuer!


  1. Damsel in Distress:

    Eine Figur einer Geschichte, klassischerweise weiblichen Geschlechts, deren Hauptfunktion es ist, in Schwierigkeiten zu geraten, aus denen der strahlende Held (klassischerweise männlichen Geschlechts) sie retten kann. Man stelle sich illustrativ den Ritter in blanker Rüstung, der die Prinzessin aus den Fängen des bösen Zauberers vor.  ↩︎

  2. Versuch und Irrtum:

    Spielerfolg stellt sich nur durch voriges Scheitern an der gleichen Stelle ein. D.h. man benötigt Wissen früherer Leben.  ↩︎

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