Voyeur II: Watching is not enough…

Firma:
Philips Interactive Media
Jahr:
1996
Systeme:
PC (DOS) / PC (VGA)
Genre:
Denkspiel
Tags:
Krimi / FMV
Sprache:
Englisch
Mittlere Wertung:
3/5

Meinung damals

Besonders viel hat man vor dem PC nicht zu tun, richtige Rätsel gibt es genau drei in dem Programm. […] Während Schauspieler und Story überzeugen, präsentiert sich der „Spanner 2“ technisch bescheiden wie der Vorgänger: Die Videos auf den zwei CD-ROMs pixeln stark, immer wieder schleichen sich Farbverfälschungen ins Bild.

Peter Steinlechner, Power Play 1/97 

Bericht von Mr Creosote (16.05.2020) – PC (DOS)

Mitte der 90er Jahre begann die Umsetzung früherer CD-i-exklusiver Titel auf andere Systeme. Dieser Nachfolger kam sogar überhaupt nicht mehr auf dem eigentlichen Originalsystem des Vorgängers heraus, sondern direkt für MacOS und MS-DOS. Ein deutlicheres Eingeständnis des kommerziellen Todes des CD-i hätte Herstellerfirma Philips nicht abgeben können.

Kamera läuft!
Kamera läuft!

Voyeur II fährt dabei in zu der Zeit bereits bekannten Wassern. Aus einer abgelegenen Berghütte (nicht einmal ans Stromnetz angeschlossen, sondern nur über eigene Solarkollektoren versorgt – was noch eine Rolle spielen wird) spioniert der Spieler per Videokamera das auf der anderen Seite der Schlucht befindliche Anwesen aus. Dort spielt sich eine typische 80er-Jahre-Seifenoper ab. Der stinkreiche Eigentümer eines Medizinherstellers ist unerwartet aus der Welt der Lebenden geschieden. Es riecht verdächtig nach Mord. Seine früheren Geschäftspartner, Freunde und Familie verstricken sich in Intrigen um die Nachfolge. Und gelingt es dem Spieler nicht es zu verhindern, steht am gleichen Abend ein weiterer Mord an.

Wir sehen also Charakteren aus dem Drehbuchschreibkurs für Anfänger zu, gespielt von völligen Unbekannten sowie ein bis zwei Gesichtsbekannten (an deren konkrete frühere Rollen man sich jedoch ebenfalls garantiert nicht erinnert), alternierend zwischen den Extremen völliger Stoik aus Unvermögen und schmierenkomödiantischer Übertreibung. Selbst nur geringe Erfahrung mit solcherlei Stoffen lässt einen sofort die zwei Hauptverdächtigen identifizieren: Wie wär’s mit der Tochter mit den permanent weit aufgerissenen Augen (klares Zeichen des Wahnsinns) und dem Typen mit dem zwielichtigen italienischen Akzent, der sich ein bisschen zu väterlich-verständnisvoll gibt? Immerhin hat das Spiel den Anstand, bei jedem Start einen von zwei Plots zufällig auszuwählen, wodurch der Mörder und die weiteren Ereignisse sich leicht unterscheiden.

Spielerisch möchte der Untertitel wörtlich genommen werden. Die kleinen „Rätsel“ drehen sich einerseits um das bereits erwähnte Stromsparmanagement sowie andererseits um ein weiteres Objekt, das schließlich zur Verhinderung des zweiten Mordes eingesetzt werden kann. Diese Spielaspekte wollen sich so gar nicht ins Große und Ganze einfügen; hat man die richtigen Vorgänge einmal gefunden, werden sie zur nervigen Routine, die nach jedem Start zwangsweise wiederholt werden müssen.

Lechz…
Lechz…

Hauptaktivität bleibt natürlich, durch die Fenster zu spechten und dabei zu jeder Zeit bloß das richtige zu erwischen. Voraussehen oder planen kann man dabei nichts. Vielmehr geht es darum, geduldig immer wieder neue Anläufe zu wagen, nur um immer und immer wieder zu scheitern, bis man dann doch mal zufällig auf etwas Verwertbares stößt. Das entwicklerseitige Kalkül verlässt sich darauf, dass das Zusehen kleiner Videoschnippsel bis dahin das Interesse aufrechterhält.

Dabei versteckt sich zwischen all dem Fensterln sogar eine einigermaßen brauchbare Idee. Ein einziges Mal darf man anstatt nur passiv zuzuschauen selbst ins Geschehen eingreifen. Sinnvoll vorgesehen ist dies nur ganz am Ende. Dabei hätte da so viel mehr dringesteckt, wenn man daraus ein wirkliches Interaktionskonzept gestrickt hätte: Warum kann der Spieler nicht das Telefon der Familie klingeln lassen, ihr eine Pizza bestellen oder was auch immer, um sie mal kurz aus dem Konzept zu bringen? Was natürlich den Aufwand alternativer Szenenverläufe erhöht, dem Spiel aber gleich viel mehr Reiz verliehen hätte.

Was man stattdessen finden (in der Spiellogik: „aufnehmen“) muss, folgt den klassischen Genrekonventionen: Es gilt, Motiv, Mittel und Gelegenheit nachzuweisen und dann den zweiten Mord zu verhindern. Leider wird ansonsten aber so wirklich gar nichts vom Spiel als Teilerfolg anerkannt. Wo der Vorgänger noch verschiedene Maße des Erfolges in unterschiedlichen Endsequenzen umsetzte, bietet Voyeur II diesen Luxus nicht mehr. Dabei sollte man meinen, ein auf Video aufgenommener Live-Mord, in dem der Mörder sogar gerade laut schreit „Ich ermorde dich!!!!“ (köstlich!) sei Beweis genug, Jemanden zu verknacken. Aber nein, man bekommt trotzdem den Standard-Endmonolog des Sheriffs, der über fehlende Zeugen lamentiert und dass der Fall nie gelöst werde. Womit die Suche nach der vollständigen Lösung sich besonders holprig gestaltet. Kleine Zwischenerfolge hätten die Motivation aufrechterhalten können, doch stattdessen wird der Spieler frustriert alleingelassen.

Zumindest ist das Maß der Zurschaustellung einigermaßen fair
Zumindest ist das Maß der Zurschaustellung einigermaßen fair

Der finale Sargnagel der Immersion ist dann die Schnitttechnik. Obwohl man ja angeblich durch die Fenster späht, sind die Szenen nach Fernsehkonventionen geschnitten. Es wird also fröhlich gezoomt, geschwenkt und Dialog in Schnitt und Gegenschnitt inszeniert. Man muss sich fragen, wie der Protagonist das wohl live mit seiner einzelnen, fest aufgestellten Heimkamera aus dem anderen Haus hinaus hinbekommen haben soll. Der cinematische Eindruck stört die Illusion, sich im (oder zumindest neben dem) Geschehen zu befinden, nur.

Und als hätte das alles noch nicht gereicht, schießt auch die Technik quer. Verglichen mit dem Original von 1993 macht dieser Nachfolger unter MS-DOS insbesondere optisch sogar einen schlechteren Eindruck. Das CD-i mag schwere Beschränkungen in seiner Hardware gehabt haben, doch immerhin konnte es eines: viele Farben darstellen. Für die MS-DOS-Umsetzung des ersten Spiels wurde die Farbtiefe bereits auf 8 Bit (d.h. 256 Farben) heruntergeschraubt und dies wurde im Nachfolger beibehalten. Die Bildschirmauflösung ist ebenfalls etwas niedriger, doch das wirkt sich nicht entscheidend aus. Es ist der Farbverlust, der nicht nur direkt unschön sichtbar ist, sondern das Bild indirekt auch noch verwaschen und pixelig wirken lässt.

Ironischerweise fand eine vollständige Betaversion für das CD-i in unserer Zeit doch noch ihren Weg ins Internet. Leider benötigt diese – anders als der Vorgänger – das optionale MPEG-Modul des Systems, das aktuell von keinem Emulator unterstützt wird. Angesichts der geringen Popularität des Systems wird es wohl nichts werden mit einer solchen Unterstützung in absehbarer Zeit. Die wenigen Besitzer der Originalhardware können das Spiel nun also in seiner Originalfassung erleben. Wir Normalos gucken in die Röhre (bzw. starren auf diese zweitklassige Version).

Technik hin und her, lohnt es doch die wiederholte Klarstellung, dass Voyeur II nichts weiter als ein nur mittelmäßig gelungener Nachfolger zu einem bereits alles andere als perfekten Spiels ist. In den drei Jahren zwischen den beiden Spielen war der Reiz des Neuen verflogen und der eine Winzversuch an Innovation läuft zielgerichtet ins Nichts. Alles in Allem hat die spielerische Qualität sogar noch etwas gelitten.

Screenshots

PC (DOS)

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Walkthrough #1

Walkthrough #2 (censored for nudity)