Vollgas

Andere Titel:
Full Throttle
Firma:
LucasArts
Jahr:
1995
Systeme:
PC (DOS) / PC (Windows) / PC (VGA)
Genre:
Adventure
Tags:
Cartoon & Comic / Kämpfen / Humor / Science Fiction / ScummVM
Sprachen:
Englisch / Deutsch / Französisch / Italienisch / Spanisch
Mittlere Wertung:
5/5

Meinung damals

Gerade LucasArts ist für die Spieltiefe seiner Adventures bekannt. Wer sich für rund 100 Mark Monkey Island, Indiana Jones oder Sam & Max anschaffte, konnte sicher sein, daß er etliche Tage mit der Lösung des Adventures beschäftigt sein würde. Dessen sollte man sich bei LucasArts eigentlich auch bewußt sein. In Anbetracht der fast lächerlichen Spieltiefe und der Puzzles auf eher unterem Niveau darf man fragen, ob das Skript zu Vollgas überhaupt an den bisherigen Hits des Herstellers gemessen wurde. Wenn ja, hätte eigetnlich auffallen müssen, daß hinter der tollen Story, den phantastischen Animationen und dem hervorragenden Sound genau das vernachlässigt wurde, was LucasArts-Adventures bisher immer auszeichnete: viele tolle Puzzles und wochenlanger Spielspaß.

Thomas Borovskis, PC Games 07/95 

Vollgas steht somit für Vollspaß, und der kann nun mal nicht ewig währen. Andererseits ist ein Wochenende voller prächtiger Unterhaltung doch einem Monat voller Langeweile vorzuziehen, oder?

Steffen Schamberger, PC Joker 08/95 

Während Full Throttle somit das ideale Programm ist, um Computerskeptiker eines besseren zu belehren, dürfte sich mancher Spieleveteran veräppelt vorkommen. Man sollte sich gut überlegen, ob einem das kurze, aber spannende Biker-Abenteuer das Geld wert ist. Ich meine: Ja! Denn nach einem guten Kinofilm ärgere ich mich schließlich auch nicht, wenn die Zeit wie im Flug vergangen ist.

Jörg Langer, PC Player 07/95 

Vollgas ist das athmosphärisch [sic!] dichteste Programm, das ich jemals gesehen habe und der derzeit deutlich coolste Chopper auf dem Asphalt.

Knut Gollert, Power Play 07/95 

Bericht von Mr Creosote (02.08.2008) – PC (DOS)

Um das gleich von Anfang an klarzustellen: Ich bin weder ein Teenager, noch in irgendeiner Art von Midlife-Crisis. Also nicht gerade die besten Voraussetzungen, um ein Spiel über stämmige (und anscheinend auch etwas simpel gestrickte) Männer mittleren Alters, die auf skurrilen, unpraktischen Fahrzeugen herumfahren, zu genießen. Auf die Gefahr hin, von glatzköpfigen Typen mit Bierbäuchen zu Brei geprügelt zu werden: „Biker“ sind nicht cool!

Corley und Ripburger
Corley und Ripburger

Full Throttle kam zu einer Zeit heraus, als Lucas Arts hätten veröffentlichen können, was sie wollten – ich hätte es blind gekauft. Was mich mir hier dann storytechnisch präsentierte, ist ein recht wenig erklärter und eigenartig „futurischer“ Schauplatz: Anscheinend gibt es nur noch einen einzigen Hersteller für Motorräder – Corley Motors. Gründer und Chef Malcolm Corley ist zusammen mit seinem Stellvertreter Adrian Ripburger auf dem Weg zu einer Aktionärsversammlung. Ripburger, der offensichtlich abgrundtief böse ist versucht, die Firma unter seine Kontrolle zu bekommen, um in Zukunft Minivans zu produzieren. Zu diesem Zweck geht er sogar so weit, Corley eigenhändig zu töten, und den Mord dem Protagonisten in die Schuhe zu schieben. Und damit beginnt die übliche Beweise-deine-Unschuld-und-überführe-den-wahren-Täter-Handlung.

Diese Story bleibt durchweg dünn, und die platten Charaktere reißen auch Nichts heraus. Bereits das Intro enthält einige Momente, die Stirnrunzeln verursachen. Warum hat beispielsweise Malcolm Corley, selbsterklärter früherer Biker, etwas dagegen, von einer Bikergang zur Aktionärsversammlung begleitet zu werden – nur um 30 Sekunden später laut herausbrüllen „Now there’s some boys I could ride with!“? Warum gibt sich Corley überhaupt mit dem schurkischen Ripburger ab? „You’ve got business instincts that I respect“, legen ihm die Autoren in den Mund, um die offensichtliche Frage zu beantworten – später aber sagt er, Ripburger gehöre ins Gefängnis. Und Ripburger selbst? Was ist denn eigentlich seine Motivation dafür, Corley Motors in einen Minivanproduzenten zu verwandeln? Geht es nur ums Geld, ist das nicht gerade schlau – warum ein faktisches Monopol aufgeben? Es muss sich also um irgendeine dieser dunklen Verschwörungen handeln – aber tatsächlich erklärt wird das niemals. Beschwören bei einem selbst „Biker“ automatisch Konnotationen wie „Freiheit“ herauf, wird man es vielleicht intuitiv verstehen.

Dies ist Lucas Arts' erstes richtiges CD-basiertes Adventure (CD-Versionen der vorigen Veröffentlichungen gibt es zwar, aber das waren dann jeweils leicht erweiterte Kopien von originalen Diskettenspielen), und entsprechend sind die Erwartungen an die Produktionsqualität hoch. Überraschenderweise stellt sich das Ganze technisch eher konservativ dar: Die Grafik nutzt die klassische 320x200-Auflösung an Stelle des seinerzeit „trendigen“ „High-Res“. Stellenweise sind 3D-gerenderte Modelle zu sehen, aber dieses Mittel wurde sparsam genutzt, und sehr gut in die handgezeichneten Umgebungen eingearbeitet. Wie so häufig ist weniger mehr, und so ist Full Throttle deutlich attraktiver anzusehen, als die meisten Spiele der Zeit.

Natürlich sind die Dialoge vollständig vertont. Die Sprecherleistungen gehen prinzipiell in Ordnung, variieren jedoch stark. Die Stimme der Hauptfigur (Ben) passt sehr gut zu seiner einsilbigen „harter Typ“ – Charakterisierung (sofern man die Prämisse als gegeben akzeptiert, dass das Spiel humorvoll gemeint ist – worüber ich mit stellenweise unsicher war, aber er hat ein paar gelungene trockene Kommentare und Dialogzeilen). Ripburger, gesprochen von Mark „Ich hatte keine Rolle mehr seit Luke Skywalker“ Hamill, dagegen ist noch nicht mal als Karikatur amüsant! Clichéhafte „Bösewichter“ haben bei mir eigentlich ein Stein im Brett, aber diesem speziellen fehlt einfach die gewisse Prise Stil in seinem auffällig-platten „hinterhältigen“ Klang.

Intro mit Klasse
Intro mit Klasse

Doch primär geht es eben um Produktionsqualität. Nochmal: Lucas Arts hat diesen Terminus besser verstanden, als seine Konkurrenten. Es geht weniger um die Technologie, sondern darum, wie man sie einsetzt. Und so ist Full Throttle trotz gewisser Mängel eines der „cinematischsten“ Spiele aller Zeiten – weit jenseits all der „interaktiven Filme“, die zu der Zeit produziert wurden. Warum? Klar, es gibt hier keine „echten“ Schauspieler, aber dafür wirkt es, wie ein Film. Die Erzähltechnik (nach den ersten paar Zeilen hoffte ich ehrlich gesagt, die Handlung würde sich in Richtung „Noir“ bewegen – diesbezüglich wurde ich jedoch enttäuscht), die Schnitttechnik, der gezielte Einsatz von Musik – das macht die „Cinematik“ aus. In diesem Bereich eine riesige Errungenschaft (und ehrlich gesagt der einzige Grund, warum das Spiel eine überdurchschnittliche Wertung bekommt).

Nun ist diese Rezension bereits doppelt so lang, wie viele andere, und es wurde noch kein einziges Wort über das Gameplay verloren. Das hat jedoch einen guten Grund: Es gibt darüber nicht viel zu sagen. Alles, was man landläufig lesen kann, ist wahr: Das Spiel ist kurz, das Spiel ist einfach. Es handelt sich prinzipiell um eine große Zwischensequenz, die manchmal dafür kurz unterbrochen wird, dass der Spieler ein paar wenige Klicks machen kann. Rätsel sucht man größtenteils vergeblich (ein Schloss mit einem Dietrich zu öffnen ist kein Rätsel) und die jeweiligen Ziele werden einem immer explizit genannt („Hol mir diese drei Dinge von diesen drei zugänglichen Orten“). Da auch das Inventar alle paar Minuten immer wieder geleert wird, kann man auch kaum etwas ausprobieren. Enttäuschend.

Das hätte jetzt nicht sein müssen…
Das hätte jetzt nicht sein müssen…

Die Szenen, an denen man etwas zu knabbern hat, sind die Actionsequenzen. Eine besonders nervige erwartet einen in der Mitte des Spiels: Man muss eine Reihe Zweikämpfe gegen andere Biker gewinnen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Rennen, sondern Prügelduelle (während der Fahrt). Immerhin haben die Designer versucht es dadurch interessant zu machen, dass man verschiedene Waffen bekommen und einsetzen kann, die gegen die verschiedenen Gegner unterschiedlich wirkungsvoll sind. Jedoch ist auch dies äußerst transparent und auch, nachdem man eigentlich alles durchschaut hat, und genau weiß, was zu tun ist, muss man noch weitere nervige Begegnungen durchstehen, bis dann endlich (anscheinend zufallsgesteuert) der eine relevante Gegner auftaucht.

Tja… es ist also schwierig, das Spiel abschließend zu bewerten. Es sollte klar geworden sein, dass es sich um eine maßlose Enttäuschung handelt, aber Enttäuschung hat auch immer etwas mit einer Erwartungshaltung zu tun. Man kann ein Spiel natürlich nicht deshalb heruntermachen, weil es von einer Firma kommt, die normalerweise mehr bietet. Und auch hat das Spiel, wie ausführlich erläutert, seine Qualitäten im Bereich der erzählerischen (so dumm die Geschichte auch sein mag) und audiovisuellen Techniken. Also bekommt Full Throttle eine 4 – widerwillig und knapp.

Box

PC (DOS)

Bild Bild

Screenshots

PC (DOS)

Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild

Dateien

Videos

World of Longplays (Deutsch)