Portal

Andere Titel:
Portal – A Computer Novel / Portal – A Dataspace Retrieval
Firma:
Activision
Jahr:
1986
System:
Amiga (OCS)
Genre:
Denkspiel
Tags:
Apokalypse / Science Fiction / Einzigartig / Textbasiert
Sprache:
Englisch
Mittlere Wertung:
4/5

Meinung damals

Machen Sie sich dran! Bei dieser Leistung hätte das Spiel auch noch teurer sein können. Mich hat es jedenfalls total vom Hocker gerissen! „Am Portal“ kann man nicht vorbeigehen!!

Martina Strack, ASM 4/87 

Da Portal kein Spiel im eigentlichen Sinne ist, haben wir auf die Vergabe von Bewertungen verzichtet. Aber um an Portal Gefallen zu finden, sollten Sie drei Bedingungen erfüllen: Erstens müssen Sie ein echter Science-fiction-Fan sein. Zweitens sollten Sie sehr gut Englisch verstehen, da die Texte ansonsten ein Rätsel bleiben und drittens sollten Sie nicht dem Geld nachtrauern, das Sie für den zeitlich begrenzten Lesespaß ausgeben müssen. Vielleicht wäre ein gutes Taschenbuch ein besseres Angebot?

Boris Schneider, Happy Computer 3/87 

Bericht von Mr Creosote (30.09.2023) – Amiga (OCS)

Commodores ursprüngliche Marketingstrategie war, den neuen Amiga als Gerät für Künstler zu platzieren. Als Gaststars auf ihrer großen Verkündungszeremonie buchten sie nicht etwa Vertreter großer Firmen, sondern Andy Warhol und Debbie Harry. Mögliche Bürokapazitäten wurden nur kurz erwähnt, als man die Sidecar  zeigte, begleitet mit dem flotten Spruch, eine Tabellenkalkulation laufe damit genauso langsam wie auf der originalen IBM-Maschine. Spiele, die schließlich zur Hauptattraktion des Amigas wurden, tauchten auf der Veranstaltung gar nicht auf.

Andy Warhol und Debbie Harry bewerben den neuen Amiga
Andy Warhol und Debbie Harry bewerben den neuen Amiga

Im Jahr darauf kam bei Activision die Software heraus, die dem Versprechen eines Künstlercomputers näher kam als alles zuvor. Bei Portal handelte es sich jedoch nicht etwas um ein Programm für sogenannte Kreative, war also kein Malprogramm oder Ähnliches, sondern um eine interaktiv präsentierte Erzählung. Nicht einmal eine Umsetzung eines bekannten Romans ins Computermedium, sondern eine Geschichte von Romanlänge, die eigens mit dem Hintergedanken des interaktiven Mediums geschrieben worden war. Also eine Geschichte, die linear abgedruckt auf Buchseiten nicht mehr so richtig funktionieren würde. Es handelte sich also sozusagen um eine von grundauf neue Erzählform, die überhaupt erst durch die aufkommende Computertechnik ermöglicht wurde.

Dazu passend fällt die Geschichte in den Bereich der Science Fiction. Darin kehrt der Spieler zurück zur Erde und findet sie vollkommen leblos vor. Sämtliche Infrastruktur ist noch vorhanden, als wären die Menschen überstürzt aufgebrochen. Den einzigen Zugang zu möglichen Erklärungen bietet das weltweite Computernetz und in der Nähe findet sich glücklicherweise ein Zugangspunkt… das Interface des Spiels.

Wodurch das Gefühl der Symbiose zwischen Inhalt und Form nur weiter anwuchs. Selbst für diejenigen, die 1986 überhaupt einen Computer zu Hause hatten, war es sehr wahrscheinlich ihr erster. Wer wusste damals schon, für welche Wunder diese Hexenmaschine gut sein konnte? Könnte dieses Versprechen der digitalen Anbindung an die gesamte Welt nicht vielleicht sogar wahr sein? Es schien möglich, in direkter Reichweite.

Innerhalb der Geschichte wurde erklärt, das weltweite Netz sei mangels Wartung in baufälligem Zustand. Kaum Informationen sind direkt zugreifbar. An anderen Stellen wird einem der Zugriff verweigert. Zum Glück meldet sich ein künstlich intelligenter Geschichtenerzähler namens Homer. Auch er befindet sich in einem desorientierten Zustand, möchte dem Spieler aber helfen, das Schicksal der Menschheit zu rekonstruieren. So setzt sich die Geschichte eines gewissen Peter Devore zusammen, der anscheinend bereits mit besonderen Fähigkeiten geboren wurde. Zeigte sich in ihm die nächste Stufe menschlicher Evolution? Er befand sich auf der Flucht vor der Staatsgewalt, auf dem Weg in die Antarktis. Dem letzten Zufluchtsort derjenigen, die sich nicht dem weltweiten Intercom-System anschließen wollten. Die lange Jagd durch Städte und über Kontinente ist dabei Anlass, verschiedene Facetten dieser in sich zusammenfallenden Gesellschaft zu zeigen. Also den Fall der scheinbar perfekten Zivilisation zu erzählen.

Letztlich handelt es sich um Soft Sci-Fi, es geht um die menschliche Natur. Über solche, die deren Komplexität mit Regeln und Technologie im Zaum halten wollen. Über Urinstinkte wie Gier, Rache usw., die so tief in uns allen verwurzelt sind. Wie diese immer wieder zum Vorschein kommen, egal wie groß der zivilisatorische Fortschritt. Über notwendigen, unvermeidbaren Fortschritt im Konflikt mit dem Festhalten am Status Quo. Über Schicksal und Entscheidungen. Alles zeitlose Themen.

Das Interface teilt sich in sechszehn Kacheln, die für verschiedene Datenbanken und Funktionen stehen. Eine gibt Zugriff auf historische Informationen, eine auf medizinische Forschung und Daten, eine auf Familienstammbäume usw. Je nach Plotfortschritt werden neue Informationen zugänglich. Spielerisch gesehen besteht keine Herausforderung. Es wird keine Fertigkeit jeglicher Art abverlangt. Geduldiges Suchen reicht immer aus.

Portal ist insofern kein Spiel im klassischen Sinne; Lesen zu können reicht aus. Gewinnen oder verlieren kann man nicht. Und doch ist es geradezu revolutionär insoweit, wie es seine Geschichte erzählt.

Nichtlineare, fragmentierte Erzählung war natürlich nichts grundlegend Neues. Und doch macht die Art der Präsentation einen Unterschied, wie man die Geschichte erlebt. Man entdeckt hier und da kleine Fragmente, die nicht einmal garantiert in der richtigen (oder auch nur immer gleichen) Reihenfolge geordnet sind. Was beim Schreiben berücksichtigt worden sein muss, die Rezeption verstärkt. Entdeckt man tief in einer Datenbank genau das Gesuchte, stellt sich durchaus ein Erfolgsgefühl ein, denn schließlich hatte man sich genau das doch gedacht!

Einerseits spielt dies dem Autoren sogar in die Hände. Man kennt das als Leser ja, wie ungeschickt manchmal Hintergrundinformationen in lineare Narrative eingebaut werden. Man muss sich dann beispielsweise durch einen expositorischen Monolog kämpfen, in dem ein Charakter einem anderen etwas erzählt, dass dieser längst wissen müsste. Wird jener Hintergrund jedoch als Schnippsel in einer anderen Datenbank modelliert, passt das nicht nur ins Modell des Benutzers, der mit diesem System interagiert, sondern erlaubt auch wahlweise sogar das Überspringen, wenn man denn nicht tiefer eintauchen möchte.

Andererseits ist das Konstrukt Homer leider im Gesamtbild weniger elegant. Er repräsentiert den klassischen unzuverlässigen Erzähler und ist sogar für einige starke Momente verantwortlich. Wie beispielsweise, wenn er explizit verrät, er habe sich einen Teil der Geschichte nur ausgedacht. Doch je länger die Geschichte andauert, desto stärker wird sie von Homers Erzählungen geprägt.

Wodurch die Grundidee des Plots, der sich durch das stückweise Entdecken kleiner Informationsschnippsel ergibt, die man selbst zusammenzusetzen hat, leider immer mehr in den Hintergrund tritt. Homers Erzählungen sind als klassische Prosa verfasst, aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers. Mehr und mehr stellt sich das Gefühl ein, den Autoren habe letztlich doch der Mut verlassen, seinen Spieler wirklich selbstständig auf Entdeckungstour gehen zu lassen. Die führende Hand sei wohl doch nötig. Oder aber ihm gingen die Ideen aus, einige zentrale Dinge effektiv zu kommunizieren, ohne sie explizit zu aufzuschreiben.

Natürlich war dies erst 1986. Also lange bevor man sich breiter begann mit interaktiven Erzähltechniken zu beschäftigen. Portal ist in diesem Bereich eine der Keimzellen, aber deshalb eben auch ein Stochern im Dunkeln. Heutzutage kann man auf breites Wissen mehrerer Jahrzehnte zurückgreifen. Einen solchen Luxus gab es damals noch nicht. Insofern sollte man nicht zu streng sein. Perfekt ist es nicht geworden. Dass es kommerziell ein Misserfolg war, lag teilweise wohl auch daran, dass Form und Inhalt eben nicht gut genug übereinander drapiert waren. Doch rückblickend stimmt hier doch schon so Einiges. So dass man selbst heute nicht nur von einem historisch wichtige Artefakt, sondern immer noch von spannender Lektüre sprechen kann.

Activision tat sich nachvollziehbarerweise schwer mit der Vermarktung dieses „interaktiven Romans“. Eine Kategorie für derlei Produkte gab es ist, und so versuchten sie es auf den Regalen regulärer Computerspiele. Mit dazu passendem Preisschild, also weit über den Kosten eines Taschenbuchs. Autor Rob Swigart veröffentlichte später eine bearbeitete Version der Geschichte als Buch. Wie erwartet verkaufte auch das sich nicht so gut. Heutzutage ist letztere Version legal und kostenlos digital zu bekommen. Vergleicht man die Varianten, fällt die linearisierte schon deutlich ab. Diese negative Erkenntnis könnte man immerhin als späte Bestätigung, dass die Interaktivität des Originals schon etwas wert war.

2012 versuchte Swigart dann sogar nochmal, eine Neubearbeitung des Stoffs über Kickstarter finanziert zu bekommen. Doch es fanden sich kaum Unterstützer. Trotz seines legendären Status hat Portal anscheinend keine große Fanbasis. Oder wenn doch, möchte sie nicht nochmal dafür bezahlen, die gleiche Geschichte mit neuer Technik aufbereitet zu bekommen.

Und was wurde aus dem Versprechen des Amigas als Computer für Künstler? Tja, das Kartenhaus fiel in sich zusammen und stattdessen wurde die Reihe Plattform für Spiele in Kinderzimmern. Viele hervorragende Titel wurden über die Jahre dafür produziert. Doch so ziemlich alles bewegte sich auf bekannten Bahnen üblicher Spielegenres.

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