Abwechslungsreich wird die stickgesteuerte Sammelei durch knackige Rätselnüsse und geheime Bonusräume, gelegentlich hilft das Game auch mit mehr oder minder versteckten Tips. Die Soundkulisse beschränkt sich auf ein paar (abstellbare) Piepstöne, auch die EGA/VGA-Grafik mit ihren detailarmen Hintergründen und ruckelig animierten Sprites vermag kaum Begeisterungsausbrüche zu provozieren. Andererseits garantiert der relativ hohe Schwierigkeitsgraf anhaltende Motivationsschübe, und das im Zweifelsfall auch auf langsameren Rechnern.
Eine aztekische Tempelanlage im Herzen von Mexiko liegt vor uns und trägt den klangvollen Namen Paganitzu, was so viel heißt wie „Tempel der Götter“. Sie wurde von einem Indiana-Jones-Verschnitt namens Alabama Smith zum ersten Mal betreten. Seine glühende Leidenschaft ist die Archäologie. Der von der eintönigen Alltagswelt gebeutelte Casual Gamer darf in seine Rolle schlüpfen und der kindlichen Neugier oder auch dem erwachsenen Entdeckertrieb freien Lauf lassen.
Unser Held braucht weder Peitsche noch Pistole, um den Gefahren der Ruine zu trotzen. Dafür muss der Spieler gezielt seinen Verstand betätigen, um einige verzwickte Puzzle in den insgesamt 20 Leveln der ersten Episode zu lösen. Die Level bestehen jeweils aus genau einem kompletten Bildschirm, ohne dass das Bild gescrollt wird. Der Avatar ist von oben zu sehen und hält in unbequem aussehender Positur seine Hände nach vorne ausgestreckt. Diese benötigt er einzig und allein zum Verschieben von großen runden Felsbrocken. Davon abgesehen werden bei Berührung wichtige Gegenstände wie Diamanten und Schlüsseln automatisch eingesammelt und in einem Menü am rechten Rand gezählt.
Schlangen und Felsbrocken
Das ist auch schon das komplette Repertoire an Fähigkeiten. Diese muss er geschickt einsetzen, um trotz der vielen Gefahren sämtliche Schlüssel zum Öffnen des Levelausgangs einsammeln zu können. Schlangen schießen kleine Giftpfeile, die sofort töten. Gatter schießen aus dem Boden und zerfleischen den Spieler in einer blutrünstigen Animation. Spinnen laufen schnell auf der Umrandung von zusammenhängenden Flächen oder Mauern entlang. Rückt man einer Spinne zu nahe, erfolgt ebenfalls der Instant-Death.
Das klingt im ersten Moment nach ziemlich viel Action. Dem ist zumindest in den meisten Leveln nicht so. Denn der Erfolg kommt eher durch vorausschauende Planung des Weges und besonders durch sinnvolles Verschieben der Felsbrocken. Diese Steine können auch ins Wasser geworfen werden, damit dort eine begehbare Passage entsteht. Außerdem trifft der Spieler auf nicht direkt sichtbare Teleporter, die den Spieler aber bei Betreten des Feldes unvermittelt durch das Level beamen. Insbesondere in den Wasser-Leveln bietet dies einen Weg, um von einer Insel auf die andere zu gelangen. Da man die Teleporter aber nicht direkt sieht, muss deren Lokation erst durch Ausprobieren festgestellt werden.
An einigen Stellen sind auch Secrets versteckt. Beim Entdecken erscheint dann direkt ein Bonus-Screen. Beispielsweise der verballhornte Songtext einer imaginären Rockband Daggers’n Roses.
Songtext an der Wand
Der Name wurde offenbar in Anlehnung an die ersten beiden Episoden (Romancing The Rose und Quest For The Silver Dagger) und als Hommage an Guns’n Roses gewählt. Eine Art von Humor, der ganz offensichtlich den 80er Jahren entsprungen ist. Besonders obskur dann der Humor im 11ten Level: Der einfache Weg ist wenige Schritte geradeaus zum Levelausgang, während der schwierige Weg sich quasi auf unmöglichen Pfaden durch den Bildschirm schlängelt. Garniert wird das Ganze mit der Aussage, dass es wohl eine schwere Entscheidung wäre, welcher Weg der bessere ist.
Kommt man zügig durch die Levels, kann man bei etwa jedem zweiten Level mit einem zusätzlichen Leben rechnen. Dies richtet sich nach einem Zeit-Bonus für schnelles Erreichen des Ausgangs und natürlich auch nach der Anzahl der eingesammelten Diamanten. Durch eine Highscore-Tafel hat der ehrgeizige Schatz-Jäger auch einen gewissen Anreiz möglichst viele Punkte zu holen. Unabhängig von den erreichten Bonus-Leben darf man jedoch auch jederzeit ungeniert Zwischenspeichern. Der gewiefte Spieler macht davon natürlich ausgiebig Gebrauch und lädt lieber einen alten Spielstand, als ein Leben zu verlieren. Trotz all diesem Komfort hätte ich mir ein „Zug zurück“-Button gewünscht. Denn schnell ist man mal einen Schritt zu weit gegangen oder hat versehentlich einen Felsbrocken etwas zu weit gerückt.
Der Programmierer des Spiels namens Keith Schuler hat keinen Level-Editor eingesetzt, sondern jedes Level einzeln gecodet. Das macht sich positiv bemerkbar, indem sich die Level in der Machart wirklich deutlich voneinander unterscheiden. Aber auch im negativen Sinne. Denn in Level 16 tauchen im ganzen Spiel einzigartige, seitlich verschiebbare Wände auf, die den Spieler während sie zur Seite gleiten einfach überdecken und er dadurch hinter der Wand verschwindet. Da dies ein Bug ist, muss man das Level in diesem Fall reloaden. Hoffentlich hat man vorher gespeichert! Außerdem steigt der Schwierigkeitsgrad mit fortschreitendem Spielverlauf zwar an, tut dies aber sprunghaft. Einige Level sind also gefühlt viel einfacher zu bewältigen als ihre Vorgänger. Keith Schuler hat offenbar einige seiner Ideen selbst anspruchsvoller eingeschätzt, als sie sich in der Praxis für den Spieler darstellen.
Die technische Umsetzung des Spiels ist insgesamt in Ordnung, aber keinesfalls Oberklasse. Die Steuerung hakelt an manchen Ecken etwas. Direkt greifbar ist zwar kein glatter Makel festzustellen. Aber gerade in hektischen Situationen fehlt etwas die Flüssigkeit in der Bewegung der Figur. Soundeffekte sind zwar vorhanden, aber eher gewöhnungsbedürftig. Denn zum Beispiel die Trippelschritte der Figur erzeugen bei jeder Bewegung schrille abgehackte Töne des PC-Speakers. Das kann bestenfalls ein wenig auf die Nerven gehen und zum Glück komplett abgeschaltet werden. Musik über den Soundblaster wird nicht angeboten. Die Grafik ist ebenfalls nur Mittelklasse. Beispielsweise erinnern mich die Felsbrocken eher an übergroße Pfannkuchen. Der Standard-Videomodus ist EGA. Für die Hardcore-Fans wird auch die CGA-Palette angeboten.
In meiner Rezension beschränke ich mich auf die erste der drei Episoden, die als Shareware vorliegt und kostenlos kopiert werden darf. Alabama Smith begibt sich ausgehend von archäologischen Recherchen auf die Suche nach der kristallenen Rose (Romancing The Rose), die dem Besitzer inneren Frieden bringen soll. Er vermutet dieses Artefakt in Paganitzu zu finden. Wen der erste Titel neugierig macht, der muss ganz nach Art des Hauses die weiteren Episoden bei Apogee für Geld kaufen.
Werbung für den Zweiten Teil
Deshalb sollte offenbar eine Story die einzelnen Episoden verbinden. Dazu wird dem Spieler im Intro mit überwiegend sparsam anmutender Grafik und relativ viel Text, sowie einem dazu passenden Outro sehr viel Fantasie abverlangt. Am Ende der ersten Episode stellt sich der eigentliche Bösewicht der Triologie vor, der den einprägsamen Namen Omigosh trägt. Dieser erweckt im Englisch-Native-Speaker natürlich sofort Assoziationen mit dem Ausruf des Entsetzens „Oh-my-gosh“. Und Omigosh erweist seinem Namen tatsächlich auch Ehre und trachtet danach, die komplette Menschheit mit Horden von Untoten auszulöschen. Dabei klingt ein höchst ironischer Unterton an, der die absurde Story in die Gefilde des bizarren Humors verschiebt und Alabama Smith in einen lustigen Anti-Helden zu verwandeln trachtet.
Paganitzu ist ein seichtes Spiel, das man mal so eben nebenbei spielen kann. Vielleicht genau das Richtige für den Casual Gamer. Ein Spiel ohne besonderen Tiefgang, um schnell mal nebenbei den Schrecken der Alltagswelt zu entkommen. Die Puzzle-Elemente ala Sokoban werden elegant mit den Action-Elementen wie der schnell-beweglichen Spinne in eine leicht verdauliche Mischung für große und kleine Entdecker zusammengeführt. Besonders haben mir die vielen verschieden Ideen gefallen, die jedes Level einzigartig machen und gleichzeitig kreatives Denken und Kombinationsvermögen fördern. Eingebettet in das Indiana-Jones typische Gefühl etwas ganz Neues zu entdecken und dabei auf gewitzte Art tödliche Fallen zu umgehen, erfüllt Paganitzu zumindest inhaltlich spielerische Bedürfnisse. Die Präsentation kann leider insgesamt nur als zweckmäßig und bescheiden bezeichnet werden. Dadurch bietet das Spiel aber zu wenig Anreiz, um den verwöhnten Casual Gamer für sich zu begeistern.