Jonathan

Firmen:
Phoenics C.R. / Software 2000
Jahr:
1993
System:
Amiga (OCS)
Genre:
Adventure
Tags:
Sonstige Fantasy / Horror
Sprache:
Deutsch
Mittlere Wertung:
1/5

Meinung damals

Tja, Ihr merkt sicher schon, daß wir von dieser durchdachten Story und der ausgereiften Präsentation immer noch begeistert sind – trotz der mittlerweile deutlich gestiegenen Ansprüche, die man an ein hitwürdiges Computer-Abenteuer stellt. Aber Jonathan zeigt nun halt Qualitäten, wie sie sonst viel zu oft dem PC vorbehalten bleiben, da kann man selbst über seine monströse Unpünktlichkeit großzügig hinwegsehen!

Max Magenauer, Amiga Joker 2/93 

Genausogut könnte man ein Buch lesen und darüber einschlafen. Alles in allem handelt es sich eher um ein Spiel für gutsituierte Frührentner.

ASM 5/93 

Im Hinblick auf die Spielatmosphäre läßt sich an Jonathan rein gar nichts bemängeln. Die Storyline-Sequenzen zwischen und gelegentlich während der Spielzüge vermitteln tatsächlich ein Höchstmaß an dem gewissen wohligen Unbehagen – Gänsehaut garantiert!

Thomas Borovskis, PC Games 6/93 

Fade Grafik, zusammengeschusterte Benutzerführung wie in einem schlechten PD-Programm und eine Handlung, die an folgenden Cocktail erinnert: Eine Prise deutscher Autorenfilm (die sozialen Probleme von Rollstuhlfahrern), ein gehöriger Schuß Lindenstraße (der verbitterte rechtsradikale Polizeibeamte und sein linker, sozial eingestellter Bruder), abgeschmeckt mit jeder Menge Okkultismus (die Bedeutung druidischer Gesänge). Dazu gesellt sich dann noch „Erotik“ auf Schulmädchenreport-Niveau (die Lehrer-verführende, frühreife Schülerin, die dann auch ein jähes, blutiges Ende findet). Da bleibe ich doch lieber beim dumpfen Weltraum-Ballerspiel.

Boris Schneider, PC Player 6/93 

Bericht von Mr Creosote (27.02.2012) – Amiga (OCS)

Jonathan ist ein Unversitätsstudent, der bei seinen Eltern wohnt. Der Grund dafür ist, dass er seit einem Unfall vor rund zehn Jahren im Rollstuhl sitzt. Seine körperlichen Gebrechen macht er jedoch mit geistigen Kräften wett: Er hat gewisse telekinetische und hellseherische Fähigkeiten (die er jedoch ungern bis gar nicht einsetzt) und er ist der Kopf einer Clique, die sich in ihrer Freizeit mit ungelösten Rätsel beschäftigt. Ihr neuestes Thema: Jonathan wird von Alpträumen geplagt, die vor irgendeinem sich nähernden Bösen zu warnen scheinen und ein Zauberbuch sowie ein Ring scheinen eine Rolle zu spielen.

Wie die beiden vorigen „Artventures“ versucht Jonathan, eine erwachsene Zielgruppe anzusprechen. Der Tonfall der Erzählung ist ernsthaft und bemüht sich um eine bildhafte Sprache. Stellenweise sind die Texte auch sehr ausführlich, jedoch entsteht diesbezüglich ein seltsam inkonsistenter Eindruck: Während bei Szenenwechsel und an erzählerischen Schlüsselstellen anscheinend großen Wert auf ausgefeilte und ausführliche Formulierungen gelegt wurde, laufen die spielerischen Interaktionen dazwischen sehr mechanisch ab. Die Erzählung ist also nicht so richtig im Spiel verankert (und genauso andersrum) – eine typische strukturelle Schwäche.

Das bürokratische Interface muss als einer der Gründe genannt werden. Die Interaktionen mit anderen Personen und auch Objekten werden durch hierarchische Textmenüs abgewickelt, die alles andere als intuitiv zu durchschauen sind. Vieles wird dem Spieler unnötig schwierig gemacht, schon allein aufgrund der hohen benötigten Klickanzahl für an sich simple Aktionen und wiederum fehlt die konsistente Linie – beispielsweise dabei, wie man aus Menüs wieder rauskommt (Button nochmal drücken? Rechte Maustaste? Escape?). Besonders die Interaktionen mit anderen Charakteren werden so zur Qual – und meist sind sie den Aufwand bezüglich der mehr als knappen Antworten, die man bekommt, ohnehin nicht wert. Experimente werden also nicht nur technisch gesehen maximal kompliziert gemacht, sondern auch weder erzählerisch, noch spielerisch belohnt. Keine vorteilhafte Kombination.

Die spielerisch interessante Grundidee liegt natürlich in Jonathans Behinderung. Er ist bezüglich vieler Aktionen von der Hilfe seiner Freunde abhängig. Das wurde bereits in Suspended spielerisch konsequenter durchgezogen, doch es ist immer noch ein gutes Prinzip. Erfolg kann man jedoch nur mit viel Ausprobieren und Versuch und Irrtum haben. Oft befindet man sich auch bereits in einer Sackgasse, ohne es gemerkt zu haben – und dann ist das Spiel urplötzlich und unerwartet ein paar Szenen später vorbei. Im Vergleich zu den beiden vorigen Spielen des gleichen Teams (Holiday Maker und Stadt der Löwen) ist Jonathan insofern ein großer Fortschritt, dass es überhaupt weitgehende spielerische Freiheit erlaubt, jedoch ist das Interaktionsmodell leider für die Tonne!

Der eigentliche Grund, warum Jonathan jedoch insgesamt scheitert, liegt in der Erzählung selbst. Der Plot rund um okkulte Magie ist nichts, was man nicht auch in einem drittklassigen Groschenroman finden könnte. Und so abwegig es vielleicht erstmal klingen mag – die Charakterkonstellation erinnerte mich permanent an die Sechs Spürnasen  (was vielleicht sogar im Sinne der Autoren sein könnte: Jonathans Heimatort nennt sich „Kronstadt“ – Dickis Nachname ist „Kronstein“) und dazu kam ein bisschen Kram auf dem Niveau eines durchschnittlichen Bravo-Fotoromans. So sehr mich Enid Blytons Geschichten als Kind unterhalten haben, ist das doch keine gute Ausgangssituation, wenn man mit „ernsthaften“ oder „erwachsenen“ Themen ernst genommen werden möchte.

Jonathan scheitert also letztendlich an seinen eigenen Ansprüchen. Eine ernsthafte Geschichte für Erwachsene zu erzählen, ist viel schwieriger, als einfach einen durchschnittlichen und unspezifischen Fantasyplot einzubauen. Ohne diesen selbstauferlegten Anspruch würde Jonathan besser funktionieren. Selbst dann würden natürlich das Interface und die uneinheitliche Grafikqualität stören, aber beides wäre locker zu verkraften (obwohl der dreiste Bilderklau aus Filmen nicht so toll ist; selbst Michael Douglas und Sharon Stone besuchen anscheinend Kronstadts Disco). Leider wirkt das fertige Spiel jedoch so, als wären die Defizite nicht durch Mangel an Ressourcen oder Motivation zu Stande gekommen, sondern (nach drei Spielen sei dieses Urteil erlaubt) vielmehr durch mangelndes Talent. Da ist wohl nichts zu machen.


  1. Versuch und Irrtum:

    Spielerfolg stellt sich nur durch voriges Scheitern an der gleichen Stelle ein. D.h. man benötigt Wissen früherer Leben.  ↩︎

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