Der Sumpf der Skorpione

Andere Titel:
Scorpion Swamp
Firma:
Puffin Books
Jahr:
1984
System:
Spielbuch
Genre:
Rollenspiel
Tags:
Kämpfen / Schwerter & Magie / Textbasiert
Sprachen:
Englisch / Deutsch
Mittlere Wertung:
3/5

Bericht von Mr Creosote (02.09.2023) – Spielbuch

Das erste Abenteuerspielbuch eines anderen Autoren als die beiden Gründer des Games Workshop. Die Ehre gebührt… Trommelwirbel… Steve Jackson. Ja, genau. Weder auf dem Umschlag, noch im Buch gab es einen Hinweis darauf, es handele sich um einen anderen Steve Jackson. Was wir heute dank des Internets natürlich wissen. Angesichts des Buchinhalts hätte es aber durchaus vom ersten Steve Jackson stammen können, denn hier wird ordentlich strukturell experimentiert.

Erstens erwarten einen hier nicht weniger als drei Geschichten. Nach den einführenden Entscheidungen dürfen Spieler entscheiden, eine von drei Missionen anzunehmen. Sie führen alle in den namensgebenden Sumpf, doch mit verschiedenen Aufgaben. Ein Auftrag stammt von einem guten Magier, einer von einem offensichtlich bösen und einer ist „neutral“. Wie es sich in einem D&D-artigen Szenario gehört.

Zweitens erlaubt das Buch die freie Bewegung durch die Welt. Nicht nur im Rahmen eines absichtlich schwer erschließbaren Labyrinths wie im ersten Buch, sondern in seiner gesamten Spielwelt. Was das Buch ganz elegant durch zwei Zustände eines jeden Ortes löst: einem initialen und einem „bereits besuchten“.

Die Grundidee und auch das Handwerk dahinter sind stark. Die Abschnitte des Buches definieren sozusagen nur eine Welt, in der sich unterschiedliche Abenteuer abspielen können. Die gleichen Orte, die gleichen Begegnungen werden mit unterschiedlicher Bedeutung aufgeladen je nach dem aktuellen Spielziel. In einer Mission mag der Herr der Wölfe ein hilfreicher Ratgeber sein, in einer anderen ein ernstzunehmender Gegner. Somit ist wiederholtes Spielen selbst nach einem Erfolg vorgesehen. Was es wiederum dem Autoren erlaubt, auf die ansonsten üblichen Massen an Todesfallen und viel zu gefährliche Kämpfe zu verzichten, da es auch ohne vorgesehenes Scheitern einen Anlass gibt, weitere Spielzeit in das Buch zu stecken.

Schwierig wird es dadurch, dass der Gesamtumfang des Buches bei 400 Abschnitten verbleibt. Die gleiche Anzahl fließt in anderen Büchern der Reihe in die Ausgestaltung einer einzigen Geschichte. Hier müssen sich drei diesen Raum teilen. Einige Orte und Begegnungen sind in mehr als einer Mission von Bedeutung, aber manche eben auch nicht. Wodurch letztere dann in einem anderen Plotstrang zur willkürlichen Bedeutungslosigkeit verkommen.

Für sich ist dies noch kein großes Problem. Schließlich stecken auf in anderen Büchern einge Abschnitte, die letztlich nichts als schönes Füllmaterial sind. Und doch ist durch etwas anderes die Anzahl der Abschnitte, in denen überhaupt etwas effektiv geschehen kann, signifikant reduziert. Das freie Bewegungsschema kostet den Autoren sehr, sehr viele Platz, der nur rein buchhalterische Zwecke erfüllt.

Um es greifbar zu machen: Betritt man eine neue Lichtung, erblickt man sie ersteinmal im Ausgangszustand. Beispielsweise könnte man dort Zeuge eines Kampfes zwischen einem Riesenskorpion und einem Zwerg werden. War man bereits zuvor dort, ist der Kampf vorbei, und ein anderer Abschnitt besagt nur, man sehe dort nichts Besonderes. Entschließt man sich beim ersten Betreten direkt wieder zur Flucht, liest man in einem dritten Abschnitt, man müsse in die Richtung zurück, aus der man gekommen sei. Nur um dann in einem vierten Abschnitt die Richtungen aufgelistet zu bekommen. Von den insgesamt vier Abschnitten dienen also drei nur zur Umsetzung der Bewegungsmechanik, tragen wirklich überhaupt nichts zu Plot oder Spielinhalt bei.

Dazu kommt, dass wiederholtes Spielen eine Reihe Orte leider irgendwann nervig werden lässt. Beim ersten Mal sind die Schwertbäume oder das Furchtgras noch spannend. Doch selbst in einem Abenteuer muss man da bereits mehrmals durch. Beim dritten Mal hat man alle Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Jedes weitere mal wirkt dann eher unnötig als wieder unterhaltsam.

Trotzdem kann natürlich auch ein kurzes Abenteuer, das man locker in einer kurzen Sitzung durchspielen kann, etwas für sich haben. Man könnte sogar von einem sich steigernden Schwierigkeitsgrad zwischen den Abenteuern sprechen. Das Buch legt einem erstmal den „guten“ Pfad nahe, der gleichzeitig der leichteste ist. Der „böse“ ist der schwierigste. Doch wodurch steigt der Schwierigkeitsgrad? Leider durch die uninteressanteste Weise, nämlich ein paar besonders starke Gegner, die man zu bekämpfen hat.

„Uninteressant“ trifft dabei leider auch auf die Geschichten an sich zu. Die Kulisse des mysteriösen Sumpfes, in dem jeder Kompass versagt und über den niemand so richtig etwas weiß könnte ja wirklich Einiges hergeben. Doch hat man ihn einmal betreten, ist das, was einem begegnet, ziemlich generisch.

Wie auch die Aufgaben an sich. Der gute Zauberer möchte eine seltene Pflanze haben, der böse die magischen Amulette, die seine Rivalen tragen. Der neutrale möchte einfach einen Weg zur Stadt auf der anderen Seite dokumentiert bekommen. Die zweite Mission hat also schonmal überhaupt nichts mit dem Thema des Ortes zu tun. Die erste und dritten könnten da schon besser passen, doch letztlich gehen sie nicht tiefer, als eben den einen richtigen Abschnitt zu finden, an dem sich das Questobjekt/die Stadt befindet. Gerade in der dritten Mission ist nicht einmal klar, inwieweit die vom Spieler angefertigte Karte dem Auftraggeber überhaupt helfen soll. Denn schließlich sollte durch die Magie des Sumpfes ja trotzdem jede Karawane vom Weg abkommen. Ach, nein, Moment, all des existierte ja nur im Einführungstext.

Das strukturelle Experiment ist immerhin interessant. Es finden sich einige Hinweise darauf, dass dies der Anfang einer länger ausgearbeiteten Kampagne über mehrere Bücher hinweg hätte werden sollen. So erhält man beispielsweise auf einem bestimmten Pfad direkt vor Ende noch ein besonders starkes magisches Schwert, hat aber keine Möglichkeit mehr, es überhaupt einzusetzen. Nur leider ist der Buchinhalt a sich recht farblos geraten, selbst wenn auf Basis der Prämisse nicht schlecht gemacht. Es bleibt der Eindruck, hier fehle die Verbindung zwischen dem Schauplatz und dem Plot, den Herausforderungen. Eventuell hätte es auch einfach mehr Seiten gebraucht.

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