Ancient Domains of Mystery

Andere Titel:
ADOM
Firma:
Thomas Biskup
Jahr:
1994
Systeme:
PC (DOS) / PC (Linux)
Genre:
Rollenspiel
Tags:
Schwerter & Magie / Unfertig / Textbasiert
Sprache:
Englisch
Mittlere Wertung:
5/5

Bericht von Mr Creosote (26.02.2016) – PC (DOS)

Leider sind selbst unsere Rezensionen nicht ganz zeitlos. NetDanzr pries in seiner Betrachtung ADOMs die kontinuierliche Verbesserung über die Jahre, die zu einer großen Spieltiefe geführt hatten, aber er kritisierte die Zugänglichkeit aufgrund der visuellen Präsentation und komplexen Steuerung. Es war gutes Timing für eine Momentaufnahme, denn kurz danach kam die Weiterentwicklung (die zu der Zeit bereits seit 8 Jahren lief) tatsächlich zum Stillstand. Seine Analyse blieb somit über lange Zeit treffend.

Und das ist sie im großen Maße immer noch. Dank „Crowdfundings“ kam es letztes Jahr zur Wiederauferstehung. Diesmal ist das erklärte Ziel unter der Regie des Originalentwicklers, ein kommerzielles Produkt daraus zu machen. Wenn das mal kein Anlass für einen zweiten Blick ist…

Rein extrinsisch stellt man schonmal fest, dass diese neue Version des Spiels nicht mehr auf eine Diskette passt… zumindest wenn man sich für die grafische Variante entscheidet (eine rein zeichensatzbasierte Version gibt es allerdings weiterhin). Andererseits ist es aber auch noch weit davon entfernt, wie von NetDanzr postuliert, mehrere CDs zu füllen; was einfach daran liegt, dass sich das Entwicklungsteam für einen grafischen Stil im klassischen Geist entschieden hat – was in den technologiegeilen Tagen des frühen Jahrtausends wahrscheinlich gar nicht vermarktbar gewesen wäre.

Ja, es gibt jetzt Grafik!
Ja, es gibt jetzt Grafik!

Dies hat interessanterweise nicht mal nur rein optische Relevanz, sondern adressiert gleichzeitig ein handfestes vormaliges Problem. Die riesige Anzahl an im Spiel auftauchenden Kreaturen und Objekte war schon ziemlich schwierig auseinanderzuhalten – wie viele Monster und Charaktere kann man noch mit ein und dem selben @ darstellen? Die Grafik transportiert intuitiv viele Informationen, die die Spieler zuvor explizit mittels teilweise mehrstufiger Tastaturbefehle heraussuchen mussten (oder dies sogar gar nicht konnten; wie beispielsweise, dass man als erfahrener Spieler das Material, aus der manche Waffen bestehen, bereits an der Farbschattierung erkennen kann). Über rein subjektive Attraktivität hinaus hat diese Umstellung also ganz konkrete spielerische Vorteile.

Das Spiel an sich, seine Handlung und all seine Features (die in der neuen Version 1.2 vorsichtig nach der Strategie „immer mehr“ erweitert wurden), ist natürlich immer noch dasjenige, das wir so lange kennen und schätzen. Tatsächlich könnte man behaupten, in die Schublade der „[?Roguelikes]“ eingeordnet zu werden, schade ADOM heutzutage mehr als es nütze, denn die damit verbundenen Erwartungen derjenigen Spieler, die mit diesem Begriff überhaupt noch etwas anfangen können, treffen kaum mehr.

Die Zufallselemente des Spiels unterfüttern zum Großteil nur noch die Wiederspielbarkeit. Man kann einfach niemals sicher sein, welche generierten Objekte einem anfangs vor die Füße fallen oder wodurch einen die Götter für gewisse Dienste belohnen werden. Ein komplettes Vorausplanen ist somit nicht möglich. Was sich ohnehin trotz wachsender Erfahrung schwierig gestalten würde, denn die lange initiale Entwicklungsphase hat für eine breite Ausbalancierung der Spielfaktoren gesorgt. Auf sehr viele Fragen gibt es einfach keine klaren Antworten, so dass man permanent am situativen Abwägen ist – egal wie viel extrinsisches Wissen man sich nun anliest oder wie viele Erfahrungen man selbst macht.

Oder doch lieber den klassischen Look?
Oder doch lieber den klassischen Look?

Wer kennt bei heutigen Rollenspielen beispielsweise nicht das sogenannte Grinding, also das stumpfe Wiederholen simpler Tätigkeiten, um Charakterwerte zu verbessern, Spezialkräfte zu erlernen oder Gold zu vermehren? Könnte auch in ADOM eine gute Idee sein, bevor man sich in gefährlichere Regionen vorwagt, oder? Einerseits ja, aber andererseits tickt die Uhr, denn die Kräfte des Chaos werden unaufhaltsam stärker. Nimmt man den Umweg durch das berüchtigte, aber optionale Labyrinth der Minotauren, weil man schließlich bereits weiß, dass dort eine hervorragende Waffe als Belohnung wartet, aber andererseits nicht nur direkte Gefahren birgt, sondern den eigenen Charakter auf ordentlich korrumpieren wird (was sich wiederum andererseits als situativ vorteilhaft erweisen könnte)? Und dann gibt es natürlich auch die völlig bauchgesteuerten Entscheidungen wie aus einer verdächtigen Pfütze zu trinken oder nicht, was sowohl große Vorteile, aber auch ebensolche Nachteile mit sich bringen kann.

All das betrifft natürlich soweit auch „nur“ den Weg durch das Spiel. ADOM ist so gestaltet, dass es seinen Spielern diesbezüglich eine Welt bietet, die man in die eine oder andere Weise ausgestalten kann. Doch damit nicht genug, es gibt sogar verschiedene Enden. Das naheliegende ist natürlich ersteinmal, die Quelle des Chaos zu versiegeln und als Held nach Hause zurückzukehren, doch es stehen einem auch andere Optionen offen, die teilweise nicht auf den ersten Blick ganz so klar sind.

Spielt man die neue Chaoskrieger-Klasse, drängt sich genau dies geradezu auf. Als folgsamer Anhänger des Chaos liegt es nicht im direkten Interesse des Spielers, genau dieses zu stoppen. Trotzdem kann das reine Mitläufertum auch nicht die Lösung sein, da die bösen Energien einen irgendwann soweit korrumpieren, dass das Spiel ebenfalls zu Ende ist. Wie wäre es also, ein doppeltes Spiel zu spielen, und den Chaosgott höchstpersönlich von seinem Thron zu stoßen, um seinen Platz selbst einzunehmen? Klingt verlockend? Genau dies ist mein Ziel, als ich diese Zeilen schreibe. Es versteht sich von selbst, dass dies Interaktionen mit völlig anderen Charakteren als zuvor bedingt (die bereits aus früheren Partien bekannten wollen teilweise nicht mal mehr mit meinem neuen Alter Ego sprechen), dass sich andere Aufgaben stellen usw.

Weltreise
Weltreise

Apropos frühere Partien: ADOM ist und bleibt natürlich ein auf den ersten Blick abschreckendes Spiel. Ich selbst habe es jetzt zum Zweck dieser Neubewertung zum ersten Mal erfolgreich zu Ende gebracht. Bevor man auch nur in die Nähe eines solchen Erfolges kommen könnte, braucht man nicht nur ein oder zwei Anläufe, sondern muss damit leben, dutzende Male zu scheitern – obwohl die kommerzielle Version sogar (womit sie mit einer weiteren Rogue-Tradition Schluss macht) das freie Speichern und Laden explizit erlaubt (und die Freewareversion, die weiterhin existiert, jedoch leider bezüglich Fehlerkorrekturen ganz schön hinterherhinkt, es immerhin auch nicht verhindert). Wie auch ich wird jeder Neueinsteiger erstmal eine große Anzahl Charaktere hochtrainieren, nur um sie dann doch auf die eine oder andere Weise zu verlieren.

Abgesehen von dem ohnehin fordernden Schwierigkeitsgrad ist dies die Kehrseite der Tiefe und Komplexität der Welt. Obwohl es ein detailliertes und sehr hilfreiches Wiki, ein aktives Forum und zahlreiche dedizierte Webseiten gibt, ist selbst das Finden einer einsteigerfreundlichen Kombination aus Charakterrasse, -klasse, -talenten und -fähigkeiten gar nicht mal trivial (auch wenn sich das Spiel alle Mühe gibt, dem Spieler keine rollenspieltypischen Entwicklungsentscheidungen abzuverlangen, deren Sinn sich nur im Rückblick erschließen). Ach, mit einem muskulösen Troll mit dicker Waffe kann man schon nichts falsch machen? Dann wartet mal auf ein Zusammentreffen mit Gegnern, die einen trotzdem im direkten Vergleich dank ihrer Gift-, Lähmungs- oder korrumpierenden Angriffe auseinandernehmen, oder bis ihr spezielle Dungeons betretet, in denen die Gegner beispielsweise immer ein mehrfaches des momentanen Stands des Spielers besitzen. Also doch ein Magier? Viel Spaß dabei, alle Immunitäten und Resistenzen der zahlreichen Monster auswendig zu lernen, denn den einen Zauberspruch, der alle Kämpfe beendet, gibt es natürlich nicht. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Trotz aller Anstrengungen, ADOM aufzupolieren (all die Arbeit an NetDanzrs zweitem Kritikpunkt, der tastenkombinationsreichen Steuerung, sei hiermit kurz, aber ohne ins Detail zu gehen erwähnt), wird es also niemals ein besonders zugängliches Spiel werden. Was natürlich daran liegt, dass dem Ganzen Designprinzipien aus der Mitte der 90er Jahre zu Grunde liegen. Intuitive Lesbarkeit, bewusste Reduktion auf wenige klare und transparente Kernmechaniken, wie heutzutage im Roguelike-Genre üblich, findet man hier natürlich nicht. Es gibt immer noch mehr zu entdecken; auch wenn ich es nun bereits zweimal durchgespielt habe, steht eine ernsthafte Beschäftigung mit Magie, Alchemie, allen Arten von Pflanzen, der Schmiedekunst und vielen weiteren Dingen noch aus. Für lockeres, gelegentliches Spielen wird es sich niemals eignen, denn man wird immer vorsichtig planen und intensiv Zeit investieren müssen, da man permanent auf den Beinen gehalten wird. So muss es sein!


  1. Roguelike:

    Untergruppe der Rollenspiele, zurückgehend auf Rogue. Typische Merkmale sind zufällig generierte Dungeons, „Permadeath“ (d.h. beim Tod der Spielfigur werden eventuelle Speicherstände automatisch gelöscht) und rundenbasiertes Spielprinzip.  ↩︎

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